Klimawandel, Klimaschutz und Biodiversität

Offenburg hat sich um die Landesgartenschau beworben und den Zuschlag erhalten. Zeit also noch einmal genauer hinzusehen, welche Chancen eine Landesgartenschau in Offenburg für die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger bietet.

Offenburg will grüner werden – und das nachhaltig: Im Zuge der Landesgartenschau sollen neue, innenstadtnahe Parks geschaffen werden und bestehende Naturräume sowohl ökologisch aufgewertet als auch untereinander besser vernetzt werden. Auch Bereiche, in denen Flora und Fauna geschützt sind und sich die Arten- und Strukturvielfalt weiter entwickeln kann, sind fest in der verankert. Wie die Landesgartenschau damit Klima-Auswirkungen abmildern und zum effektiven Klimaschutz beitragen kann, verdeutlicht der aus Offenburg stammende Diplom-Meteorologe Sebastian Glink im Gespräch.

Herr Glink, welche Qualität hat das Klima in Offenburg heute?

Sebastian Glink: Im Grunde ist das eher eine subjektive Frage. Jeder hat seine persönlichen Präferenzen und würde deswegen das Klima in Offenburg qualitativ anders einschätzen. Meteorologisch gesprochen ist der Oberrhein eine der sonnigsten und wärmsten Regionen Deutschlands. Zusätzlich hat man mit dem Schwarzwald, den Vogesen und den nicht allzu weit entfernten Alpen viele unterschiedliche Klimazonen auf engstem Raum und zur Abwechslung zur Auswahl. Ich würde sagen wir sind in Offenburg klimatisch begünstigt.

Warum ist Offenburg klimatisch begünstigt?

Sebastian Glink: Verglichen mit anderen Regionen der Welt bleiben wir in der Regel von wirklich extremem Wetter weitgehend verschont. Wir haben kontinental ausgeprägte Jahreszeiten und unser Wetter ist vom Spiel zwischen dem berühmten Azorenhoch und dem Islandtief geprägt. Aus diesem Grund sprechen die Klimatologen auch von den „gemäßigten Breiten”. Ich empfinde es im Übrigen als großes Privileg, die Veränderung der Natur im Lauf der Jahreszeiten zu beobachten.

Wie, denken Sie, wird Offenburg vom Klimawandel der nächsten Jahre betroffen sein?

Sebastian Glink: Wir sehen bereits jetzt, dass die Durchschnittstemperatur ansteigt, es häufiger zu Sommer- und Hitzetagen (Tagen über 25 bzw. 30°C) kommt, weniger Schnee fällt und die Niederschläge extremer verteilt sind. Dieses Bild ergibt sich durch die Betrachtung von Musterverhalten vieler Messpunkte und Ereignisse über einen längeren Zeitraum. Klimaforscher sind der Meinung, dass sich die Grundzirkulation der Atmosphäre durch den Klimawandel verändert. Für unsere Breiten bedeutet dies, dass die Großwetterlagen weniger wechseln. Das wiederum führt dazu, dass beispielsweise Hochdruckgebiete wie im Sommer 2018 sich über Wochen halten und zu Dürren führen. Umgekehrt hatten wir im Frühjahr 2019 die Situation, dass sich wochenlang Tiefdruckgebiete abgewechselt haben und zu teilweise extremen Regenmengen geführt haben. Zusätzlich führt der physikalische Effekt, dass wärmere Luft mehr Wasser halten kann, zu mehr Energie in der Atmosphäre, die sich dann wiederum in Form von kräftigen Schauern und Gewittern entlädt. Außerdem verschiebt sich die Schneefallgrenze über den Daumen gepeilt pro Grad durchschnittlicher Erwärmung um etwa 150 Meter nach oben. Selbst in den Klimaszenarien, die einen sofortigen, konsequenten Klimaschutz berücksichtigen, wird von mindestens einem Grad durchschnittlicher Erwärmung bis Mitte des Jahrhunderts ausgegangen. Somit wird Schnee bei uns ein immer selteneres Phänomen sein.

Kann eine Landesgartenschau hier entgegenwirken?

Sebastian Glink: Eine Landesgartenschau kann zwar nicht direkt dem Klimawandel entgegenwirken, aber sie kann die Effekte des Klimawandels auf das Leben in der Stadt abmildern. Ein Hauptproblem ist die Versiegelung von Flächen und die damit verbundenen Probleme wie ein verstärktes Aufheizen an heißen Tagen oder schnellere und größere Überflutungen insbesondere bei Starkregenereignissen. Mit einer Landesgartenschau wird die Natur in die Stadt integriert und sie kann auch ein Beispiel dafür sein, wie die Raumplanung im Zuge des Klimawandels künftig angepasst werden muss. Darüber hinaus ermöglicht eine Landesgartenschau, die Themen Umwelt- und  Klimaschutz in das Bewusstsein der Menschen zu rufen.

Was hat Ihrer Ansicht nach die Landschaftsarchitektur für Möglichkeiten?

Sebastian Glink: Die Natur muss viel stärker und konsequenter in die Stadtplanung mit eingebunden werden. Dabei ist es nicht mit ein paar Bäumen und Trinkbrunnen getan. Die Einbindung von größeren Grünflächen, die Schaffung von Parks und die Begrünung von Dächern und Gebäuden werden heiße Tage erträglicher machen.

Neben Schatten und Grünflächen wirkt sich auch Wasser positiv auf das Stadtklima aus. Die kühlende Wirkung bei bewegtem Wasser ist besonders groß. Gegen Hitzeinseln sind deshalb Teiche, Bäche und Brunnen wichtige Maßnahmen – vor allem, wenn sie zugänglich sind. Zudem kann mit Baumaterialien, wie Rasengittersteinen oder bestimmten Straßenbelägen, beispielsweise Schotter und Kies, die Durchlässigkeit der Böden teilweise wiederhergestellt werden. Abfließendes Regenwasser kann dann in unterirdischen Behältern gespeichert werden, wodurch auch das Risiko von Überschwemmungen nach Starkniederschlägen vermindert wird. Nicht zu vergessen ist, dass dabei auch für Tiere, wie insbesondere Insekten und Vögel, Lebensräume geschaffen werden.

Wir sind uns sicherlich alle darüber einig, dass mit all diesen Maßnahmen nicht nur das Stadtbild nachhaltig verschönert, sondern auch unser persönliches Wohlbefinden erheblich gesteigert wird. Durch die Verdichtung der Städte, mit immer mehr und oft auch kleineren Wohnungen wird das Bedürfnis steigen, nach draußen in die Natur zu gehen.

Und was sollten die Macher der Landesgartenschau in Sachen Klimaschutz berücksichtigen?

Sebastian Glink: Ich halte es in erster Linie für sehr wichtig, sich die angesprochenen Veränderungen des Klimawandels immer vor Augen zu führen und bei der Planung zu berücksichtigen. Die Landesgartenschau sollte nachhaltig sein, das bedeutet auch, nachhaltige Baumaterialien zu verwenden und CO2-neutral durchgeführt werden zu können. Meiner Meinung nach wäre der Anlass auch eine sehr gute Gelegenheit, Offenburg als Smart City auszubauen. Smart City bedeutet nicht nur die Integration der Natur in die Stadt, sondern die Verbindung mit neuer Technologie zur intelligenten Steuerung von Gebäuden, des Verkehrs oder der Straßenbeleuchtung, Ladestationen für die E-Mobilität, smarte Energieversorgung, und vieles mehr.

Was wünschen Sie sich als gebürtiger Offenburger für die Landesgartenschau 2032?

Sebastian Glink: Ich wünsche mir, dass Offenburg die Landesgartenschau nutzt, um die Stadt nachhaltig für die Zukunft zu rüsten und damit ein Vorbild wird, um zu zeigen, wie Städte- und Raumplanung im Zuge des Klimawandels funktioniert. Ich freue mich darauf!

 

Die Landesgartenschau wird von zahlreichen Personen aus den verschiedensten Bereichen der Offenburger Stadtgesellschaft unterstützt, so auch von unterschiedlichen Umweltgruppen. Das gemeinsame Statement und alle weiteren finden Sie hier.